10.2.2012
Heute hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer mindestens vier Wochen bezahlte Ferien pro Jahr zugute. Wer noch nicht 20 Jahre alt ist, hat Anspruch auf fünf Wochen Ferien. Das Obligationenrecht garantiert uns seit fast 30 Jahren also einen minimalen Ferienanspruch von vier respektive fünf Wochen. Dieses Minimum wird heute in vielen Branchen überschritten.
Ich erwähne hier als Beispiel das Gastgewerbe.
Dort haben über 216'000 Arbeitnehmende fünf Wochen Ferien. Nur erholte und gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können gute Leistungen erbringen. Aus diesem Grund begrüße ich Regelungen, die Erholung und Wohlbefinden für die Arbeit nehmenden gewährleisten. Das sind ja auch die Überlegungen, die hinter der Initiative stehen, und diese sind ernst zu nehmen.
Die Initianten versprechen sich mit mindestens sechs Wochen Ferien positive Effekte vor allem im Zusammenhang mit dem Stressabbau, unter dem die Arbeitnehmer heute zunehmend leiden. Dieser Stress verursacht in der Tat hohe Kosten; man spricht von jährlich etwa 10 Milliarden Franken. Das sind Kosten, die einerseits die Arbeitgeber zu tragen haben, andererseits aber natürlich auch die Allgemeinheit. Die Verfügbarkeit der Arbeitnehmer, die Flexibilität, die von ihnen verlangt wird, hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert – in einer Art und Weise, wie man sich das vor wenigen Jahren wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen konnte. Ich denke hierbei gerade an meinen Arbeitgeber, die Swisscom. Ein Techniker muss heutzutage fast rund um die Uhr erreichbar sein.
Nun stellt sich aber die Frage, ob der Zwang zu mehr Ferien wirklich das richtige Mittel ist, um den negativen Folgen der heutigen Situation zu begegnen. Mehr Ferien bringen ja nur etwas, wenn anschließend die Arbeit auf mehr Hände und Köpfe verteilt wird. Andernfalls droht die Arbeit für den Einzelnen wegen der längeren Ferien ja sogar zu einer noch grösseren Belastung zu werden weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeit in kürzerer Zeit verrichten müssen – und das ist ja sicher nicht das, was die Initiantinnen und Initianten wollten. Die Initiative gibt aber gerade in dieser zentralen Frage keine Antwort. Sie lässt offen, wie die längeren Ferienabwesenheiten am Arbeitsplatz aufgefangen werden sollen. Sie lässt offen, wer nach einer Annahme der Initiative die Mehrbelastung zu tragen hätte, die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmenden. Die Arbeitnehmenden profitieren aber nur dann, wenn der Arbeitgeber zusätzliches Personal einstellt.
Und das wiederum bedeutet für die Arbeitgeber höhere Lohnkosten. Und diese Lohnkosten lassen sich beziffern: Ich habe dies überschlagsmässig berechnet: wenn man von 240 Arbeitstagen pro Jahr und einer 5-Tage-Woche ausgeht, so entsprechen zwei zusätzliche Ferienwochen einer Erhöhung der Lohnkosten von über 4 Prozent. Man hat darauf hingewiesen, dass sich vor allem kleinere und mittlere Unternehmen schwer damit tun würden, höhere Lohnkosten zu verkraften – und zwar ganz unabhängig von der Wirtschaftslage. Die heutige Ferienregelung ermöglicht den Vertragsparteien und Sozialpartnern, massgeschneiderte Lösungen auszuhandeln. Sie bietet Raum für eine flexible Festlegung arbeitnehmerfreundlicher Arbeitsbedingungen – und dazu gehören eben nicht nur die Ferien, sondern auch Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen, Teilzeitstellen oder Einrichtungen für die Kinderbetreuung.
Partnerschaftliche Lösungen sind in diesen Punkten heute nur deshalb möglich, weil die Vertragsfreiheit den nötigen Spielraum bietet. Ein gesetzlicher Zwang, mehr Ferien zu gewähren, würde diesen Spielraum einschränken: Das Geld, das ein Betrieb für die Finanzierung der zwei zusätzlichen Ferienwochen aufwenden müsste, würde unter Umständen für andere arbeitnehmerfreundliche Arbeitsbedingungen fehlen.
Die CVP Schweiz hat an Ihrer Delegiertenversammlung im Januar in Einsiedeln die Initiative abgelehnt. Die Initiative schadet den KMU-Betrieben, von denen wir einige in unserer Partei haben. Die Ferieninitiative gefährdet außerdem Arbeitsplätze und Wohlstand. Höhere Arbeitskosten schaden der Konkurrenzfähigkeit der KMU-Betriebe und führen zu einer Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland. Der wichtigste Punkt aber ist, dass die Initiative den Arbeit nehmenden schadet.
Aus all diesen Gründen empfehle ich und der Vorstand der CVP Nidwalden ihnen, die Initiative „6 Wochen Ferien für alle“ abzulehnen. Ein Nein zur Volksinitiative – und damit komme ich zum Schluss – bedeutet aber nicht, dass wir das Thema "Stress am Arbeitsplatz" zu den Akten legen können. Sozialpartner und Politik haben allen Grund, sich in Zukunft noch intensiver als bisher damit auseinanderzusetzen, wie wir der Gesundheit am Arbeitsplatz mehr Aufmerksamkeit schenken können.